Provenienzforschung

Ein wichtiger Teil des „Geschichts-Projekts“ war und ist die Erforschung der Herkunftsgeschichte der etwa 900.000 Objekte fassenden Sammlungsbestände des Museums. Die Neuaufstellung des Archivs, die Neuinventarisierung der Sammlungen sowie die durchgeführten Provenienzrecherchen ermöglichen es heute, einen umfassenden Überblick darüber zu geben, in welchem Ausmaß und aus welchen Quellen Objekte während der NS-Diktatur als Raubgut an das Haus der Natur gelangten.

Die vom NS-Unrechtssystem geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen und die Integration Museums in das „SS-Ahnenrebe“ verschafften dem damaligen Direktor Eduard Paul Tratz neuen Handlungsspielraum zur Aneignung von Sammlungsbeständen. Offensichtlich ohne moralische Zurückhaltung requirierte er Objekte von kirchlichen Organisationen, aus privaten jüdischen Sammlungen und von naturkundlichen Institutionen in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten. Unter den während dieser Zeit unrechtmäßig ins Haus der Natur gelangten Objekten finden sich Sammlungsbestände prominenter, privater jüdischer Sammler wie Rudolf Gutmann und der Familie Rothschild ebenso wie Objekte aus polnischen Museen.

Restitutionen

Unmittelbar nach Kriegsende, Tratz war als Mitglied der SS und NSDAP inhaftiert und Maximilian Piperek leitete das Haus der Natur, wurden bereits umfangreiche Sammlungsbestände an polnische, sowjetische und französische Institutionen zurückgegeben. In den 1990er Jahren wurden unter Direktor Eberhard Stüber Bücher aus der Museumsbibliothek an kirchliche Institutionen und an das Nationalmuseum in Warschau restituiert.

Wie die aktuellen Arbeiten zeigten, waren damit aber noch nicht alle Fälle abschließend geklärt. Es befanden sich noch einzelne Bücher, Jagdtrophäen, Tierpräparate und eiszeitliche Knochenfunde aus diesen unrechtmäßigen Aneignungen in den Museumssammlungen. Sie waren offensichtlich in der Nachkriegszeit nicht identifiziert worden. In den letzten Jahren arbeitete das Haus der Natur intensiv daran, in einer abschließenden Phase der Restitution alle diese Objekte zu identifizieren und zu restituieren.

Diese Bemühungen werden vom Kuratorium des Museums vollinhaltlich unterstützt. Unter der Leitung des damaligen Vorsitzenden Landesrat Dr. Heinrich Schellhorn fasste das Kuratorium Ende 2013 den einstimmigen Beschluss, alle offenen Fälle im Sinne des Kunstrückgabegesetzes abzuschließen.

Seither konnten mit der St. Petrus Claver Sodalität (Maria Sorg), dem Katholischen Hochschulwerk als Rechtsnachfolger des katholischen Universitätsvereins, dem Borromäum, den Erbinnen und Erben nach Alphonse und Clarisse Rothschild und dem Naturkundemuseum in Lwiw (Lemberg, Ukraine) abschließende Übereinkünfte getroffen werden. In vielen Fällen entschieden die rechtmäßigen Besitzer·innen, dass die Objekte trotz ihrer problematischen Geschichte am Haus der Natur verbleiben sollen. Mit Kolleg·innen aus dem Museum in Warschau und Mitarbeiter·innen des Polnischen Kulturministeriums wurde die Rückgabe von biologischen Sammlungsobjekten und Büchern in die Wege geleitet.