Sichtung eines weißen Gamskitzes
Georg Pölzleitner, ein Mitglied der Plattform Säugetiere beobachtete im Sommer 2017 ein weißes Gamskitz (Rupicapra rupicapra). Es gelangen ihm dabei wunderbare Bilder eines außergewöhnlichen Tiers. Stefan Resch, ebenfalls ein Mitglied der Plattform Säugetiere hat in einem kurzen Artikel Informationen über „Albinismus und Leukismus bei Säugetieren“ zusammengefasst. Sie können selbst versuchen heraus zu finden, ob es sich bei dem beobachteten Tier um eine sogenannte Albino-Gämse oder um eine helle Fellvariante handelt. Wir gratulieren dem Fotografen sehr herzlich zu seiner Entdeckung und der sehr gelungenen Dokumentation!
Albinismus und Leukismus bei Säugetieren
Dr. Stefan Resch (apodemus – Privates Institut für Wildtierbiologie OG)
stefan.resch@apodemus.at
Nicht viele Menschen haben sie schon einmal in der freien Natur gesehen: Tiere, welche im Gegensatz zu ihren Artgenossen ein rein weißes Fell besitzen. Da dies in der Natur selten vorkommt ist so eine Begegnung ein besonders einprägsames Erlebnis. Oft denkt man dabei an sogenannte Albinos, aber sind es wirklich welche?
Der Begriff Albinismus wird uneinheitlich verwendet, bezeichnet aber generell verschiedene Formen des vererbten Fehlens von Pigmentation oder Färbung bei Tieren oder Pflanzen. Bei Säugetieren sind die auffälligsten Kennzeichen die weißen Haare und die rosa Haut, Nägel oder Schuppen, da bestimmte Hautzellen (Melanozyten) aufgrund eines genetischen Defekts keine oder kaum Farbpigmente (Melanine) produzieren. Eine weiße Haut oder ein weißes Fell alleine machen ein Tier jedoch noch nicht zu einem Albino. Echte Albinos weisen zusätzlich noch die typischen roten Augen auf, da die roten Blutgefäße der Netzhaut unverfärbt durch die Iris durchscheinen können. Sind die Augen hingegen normal gefärbt, spricht man von dem in der Natur häufiger vorkommenden Leukismus.
Bei allen Säugetierarten einschließlich des Menschen tritt der Albinismus mit aufgehellter Augen-, Haut- und Haar- bzw. Fellfarbe aus denselben Gründen auf, da bei ihnen die Farbstoffsynthese sehr ähnlich ist. Da jedoch verschiedene Proteine und Hormone in die Melaninproduktion eingebunden sind, ist die Zahl der entsprechenden Gene, welche mit Albinismus in Zusammenhang stehen entsprechend hoch. Beispielsweise sind bei der Maus bisher über 100 Gene bekannt, die die Fell- und Augenfarbe beeinflussen.
Da vom Aussehen alleine nicht auf die zugrundeliegende Mutation geschlossen werden kann, ist die Zuordnung zu den verschiedenen molekulargenetisch begründeten Formen des Albinismus allerdings schwierig. Die Gene dafür sind in der Regel rezessiv, die Gene für die normale Färbung dominant d.h., dass bei Vorhandensein beider Typen die normale Färbung vererbt wird. Nur wenn bei beiden Elterntieren rezessive Gene vorkommen, kann beim Nachwuchs Albinismus auftreten. Da aber nur ein geringer Prozentsatz diese in sich trägt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Elterntiere mit diesem Gen zusammenkommen sehr gering. Bei geschlossenen Populationen und vermehrter Inzucht steigt die Häufigkeit von Albinismus. Bei Säugetieren wird die Anzahl von Albinos auf ungefähr 1 von 10.000 geschätzt.
Auswirkungen des Melaninmangels
Auch abseits der Färbung zeigen sich Auswirkungen des Melaninmangels. Dieser beeinflusst z.B. die Entwicklung und die natürliche Funktionsfähigkeit vieler Bereiche im Auge, wie jener von Netzhaut und Iris sowie des Sehnervs. Intensives Sonnenlicht kann bei Albinos zum Absterben von Rezeptorzellen führen. In der Wahrnehmung wirkt sich die abnormale Entwicklung des Auges auf die Sehschärfe und die Tiefenwahrnehmung aus, sodass betroffene Tiere potentiell bei der Nahrungssuche und der Feindvermeidung benachteiligt sind. Auch Funktionsschwächen des Hörvermögens werden mit Albinismus in Zusammenhang gebracht und durch das Fehlen dunkler Pigmente steigt das Risiko von Hautschäden durch UV-Strahlung.
Albinismus in der Natur
Man könnte annehmen, dass weiße und somit ungetarnte Tiere in der Natur viel öfters Prädatoren zum Opfer fallen. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass sich viele Prädatoren mehr auf spezielle Verhaltens- und Bewegungsweisen konzentrieren als auf die Färbung. Spielt das Aussehen bei der Beutewahl eine Rolle, ist es hingegen möglich, dass weiße Tiere erst gar nicht als potentielle Nahrung erkannt werden, da sie nicht in das Beutebild passen. Die Wahrscheinlichkeit für Albinos zu Beute zu werden ist also nicht zwingend höher als bei normal gefärbten Tieren. Ein eindeutiger Nachteil liegt jedoch darin, dass Albinos durch die fehlende Tarnung von ihren eigenen Beutetieren schneller wahrgenommen werden, was den Jagderfolg und dadurch auch die Überlebenswahrscheinlichkeit reduzieren kann. Zudem wird Albinismus mit Schwächen im Seh- und Hörvermögen in Zusammenhang gebracht, welche sich ebenfalls negativ auswirken. Abseits der freien Natur werden Albinos als Modellorganismen für die biomedizinische Forschung (Albino-Mäuse) gezüchtet und sind als Haustiere sehr beliebt.
Leukismus & Melanismus
Beim Albinismus ist die Funktion der Pigmentzellen beeinträchtigt, wodurch bei Säugetieren kaum oder keine Melaninproduktion stattfindet. Beim Leukismus sind aufgrund von Fehlern bei der Differenzierung oder durch fehlende Einlagerung während der Entwicklung gar keine Pigmentzellen vorhanden. Dies kann sowohl den gesamten Körper als auch nur Teilbereiche davon betreffen und führt zu weißer, fahler oder fleckiger Färbung von Haut, Haaren und Schuppen. Im Gegensatz zum Albinismus sind die Augen jedoch normal gefärbt.
Das Gegenteil des Albinismus ist der Melanismus bei dem Haut, Haare oder Schuppen durch übermäßige Melaninproduktion schwarz gefärbt sind. Ursache dafür können neben genetischen Faktoren auch bestimmte Umwelteinflüsse wie erhöhte Sonneneinstrahlung, größere Luftfeuchtigkeit oder niedrigere Temperaturen sein. Bekannte Beispiele bei Säugetieren finden sich z.B.: beim Leoparden, beim Feldhamster und der Waldmaus.